19. September 2014, 16 Uhr, im ver.di BBZ Clara Sahlberg
Aufgrund der langjährigen Erfahrung der Kanzlei wissen wir: sog. Entfristungsklagen haben eine hohe Erfolgsquote. Zahlreiche unserer KlägerInnen haben sich mit uns auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag eingeklagt!
Die etwa 65 – 70 Teilnehmenden lauschten ebenso aufmerksam wie aktiv den Ausführungen und Erläuterungen der jeweiligen Kanzleimitglieder:
Die kurze historische Entwicklung zum TzBfG (Daniels) zeigte – erneut – das aktive, kontinuierliche und teilweise erfolgreiche Hinarbeiten der Arbeitgeberseite auf ein immer weiter gehendes Befristungsgesetz.
Der Überblick (Eberl) zeigte das große „Loch“, das das Gesetz mittlerweile in den Kündigungsschutz gerissen hat: Der Grundsatz: derunbefristete Vertrag ist die Regel, der Befristete die Ausnahme (so immer wieder das Bundesarbeitsgericht), ist durch das TzBfG mindestens sehr aufgeweicht, wenn nicht aufgehoben worden. Aktuell ist fast jeder 2. in Deutschland geschlossene Arbeitsvertrag ein Befristeter! Besonders für eine Befristung in den ersten zwei Jahren der Beschäftigung bedarf es überhaupt keines Befristungsgrundes mehr – mit der Folge, dass sehr häufig Beschäftigte im Zwei-Jahres-Rhythmus „ersetzt“ werden – auch im öffentlichen Dienst!
Dennoch: Auch hier sollte immer eine rechtliche Beratung/Prüfung erfolgen – oft ist selbst ein solcher Vertrag unwirksam!
Wollen Beschäftigte die Unwirksamkeit Ihrer Befristung geltend machen, müssen sie spätestens innerhalb von drei Wochen nach Ablauf des Vertrages Klage beim Arbeitsgericht eingereicht haben. Dies gilt auch bei – immer unwirksamen – mündlichen Befristungsvereinbarungen!
Die – grundsätzlich zeitlich unbegrenzte – Befristung eines Vertrages „wegen Vertretung“ (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG, Pätzel) hat durch die Rechtsprechung eine Entwicklung erhalten, die weit über das vom Gesetzgeber geregelte Modell der unmittelbaren Vertretung hinausgeht. Selbst die mittelbare Vertretung („Vertretungskette“) ist durch das Bundesarbeitsgericht zunächst zugelassen, dann aber noch weit „übertroffen“ worden: nun soll es genügen, wenn der Arbeitgeber sich „gedanklich vorstellt„, dass ganz allgemein ein Vertretungsbedarf besteht, um eine Befristung „wegen Vertretung“ rechtfertigen zu können.
Wiederum: Es sollte immer eine rechtliche Beratung/Prüfung erfolgen – die Arbeitgeber sind oft sehr ungenau mit ihrer gedanklichen Zuordnung“ – was die Befristung unzulässig macht!
Genauso schwierig ist es für den Arbeitgeber, „wegenvorübergehenden Bedarfs“ zu befristen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG,Witt): Es muss ein konkreter Mehrbedarf für einen definierten Zeitraum vom Arbeitgeber prognostiziert werden!
Hier sollte immer eine rechtliche Beratung/Prüfung erfolgen – die Arbeitgeber sind oft sehr ungenau mit ihrer Prognose!
Besonders privilegiert ist der öffentliche Dienst: Wenn der jeweilige Gesetzgeber (Abgeordnetenhaus, Landtag, Stadtrat o. Ä.) in seinemHaushaltsplan die Befristung konkreter Stellen ausweist (§ 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG, Witt), soll dies nach der Rechtsprechung für die Zulässigkeit einer Befristung ausreichen. Dieses Privileg gilt nicht für demokratisch nicht legitimierte Ersteller von Haushaltsplänen (nachgeordnete Behörden: Bundesagentur für Arbeit, Stiftung Oper Berlin, Umweltbundesamt o. Ä.).
Beides sollte unbedingt rechtlich geprüft werden; die Rechtsprechung ist hier für die Arbeitgeber relativ „streng“!
§ 30 Abs. 2 – 5 TVöD/TV-L) hat die frühere Regelung SR 2y zum BAT übernommen, jedoch nur als Bestandsschutz, also für Angestellte aus dem ehemaligen Tarifgebiet West (Pätzel).
In der Regel wird nur der jeweils zeitlich jüngste Vertrag rechtlichüberprüft. Bei einer „Kette“ mehrerer befristeter Verträge (15 Verträge in sechs Jahren z. B. …) muss zusätzlich eine mögliche „Gesamt-Mutwilligkeit“ geprüft werden (EuropGerichtshof, Witt), was der Arbeitgeber meist nicht macht, wir aber schon … !
Bei einer Klage müssen die in 1. Instanz entstehendenRechtsanwaltskosten immer von den Beschäftigten getragen werden, unabhängig davon, ob sie den Prozess gewinnen oder verlieren (Dralle). Z. B. entstehen bei einem Bruttomonatseinkommen in Höhe von € 3.000 Anwaltsgebühren in Höhe von mindestens rund € 1.600.Gewerkschaftsmitglieder haben Anspruch auf kostenlosenRechtsschutz durch Ihre Gewerkschaft, privat Rechtsschutzversicherte ebenfalls.
Die rechtlichen Möglichkeiten der Interessenvertretungen, gegen unzulässige Befristungen vorzugehen, sind leider sehr gering (Daniels): Weder im PersVG Berlin noch im BPersVG finden sich hierzu Mitbestimmungstatbestände. Anders § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPersVG Brandenburg, der ausdrücklich eine Mitbestimmung „bei der Befristung“ gewährt. Auch Betriebsräte haben kein Mitbestimmungsrecht bei Befristungen. SBV und FV sind lediglich, wie üblich, zu informieren.Allerdings haben alle Interessenvertretungen einenInformationsanspruch, dass ihnen die Zahl der befristetet Beschäftigten in der Dienststelle/im Betrieb mitgeteilt wird (§ 20 TzBfG).
Die anschließende Diskussion war sehr lebhaft. Sie machte deutlich, dass „das Publikum“ den teilweise nicht ganz einfachen Ausführungen sehr aufmerksam gefolgt war. Aufgrund der zahlreichen Fragen dauerte die Veranstaltung deutlich länger als geplant. Die Kanzlei erhielt von den Anwesenden großes Lob; man wünschte weitere dieser Art – was wir zugesagt haben!
Wir danken allen, die erschienen sind, für Ihre aktive Teilnahme und wünschen allen für die Zukunft weiterhin das Allerbeste!
Ihr Kanzlei-Team